Krieg in der Ukraine

Europa & Außen

Eine Stellungnahme der SPD Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr zur Haltung der SPD in der Bundesregierung und des Bundeskanzlers zum Krieg in der Ukraine. Sie spricht mir aus dem Herzen und zeigt deutlich auf wie wichtig es ist besonnen zu handeln und nicht in plumpe Kriegstreiberei zu verfallen.

Bitte lesen, auch wenns ein bisschen lang ist

Christian Scholz 

SPD Ortsvereinsvorsitzender 

Augsburg, 26.4.2022 Brief von Ulrike Bahr, MdB zur deutschen Haltung im Ukraine-Krieg Liebe Genossinnen und Genossen, die Auseinandersetzung innerhalb Deutschlands um den Krieg in der Ukraine nimmt immer heftigere Formen an und es ist erschreckend, wie sich auch Grüne zu Wortführern militärischer Gedankenspiele machen, um auf der vermeintlich moralisch sicheren Seite zu stehen. Leider wird dieser furchtbare Krieg auch in der Öffentlichkeit nur unter moralischen Gesichtspunkten verhandelt, womit jede Reflektion und Besonnenheit schon als verwerflich gilt. Ich möchte mich daher in dieser dramatischen Situation an euch, die Mitglieder der SPD, wenden und versuchen, über die Situation und das Vorgehen unserer Regierung Aufklärung zu leisten. Unser Land hat in zwei Weltkriegen erfahren – und andere Ländern erfahren lassen –, was Krieg bedeutet. Da geht es nicht um Moral, Völkerrecht oder den Schutz der Zivilbevölkerung, sondern darum, wer der anderen Seite den größtmöglichen Schaden einschließlich des Terrors gegenüber der Zivilbevölkerung zufügen kann. Die Vorstellung von sauberen Kriegen mit klaren Regeln, an die sich jeder hält, ist an Absurdität kaum mehr zu überbieten – oder ist der Tod eines Soldaten weniger schlimm als der eines Zivilisten? Krieg gibt es dann, wenn Moral nicht mehr zählt und nur noch für die eigene Legitimation der Gewalt benutzt wird. Weitere Eskalation verhindern Putin hat diesen Krieg vom Zaun gebrochen, mit tausenden von Toten auf Seiten der Ukraine. Und es gibt keinen Zweifel daran, dass wir alles dafür tun müssen, die Ukraine hier zu unterstützen und Putin Einhalt zu gebieten, natürlich auch mit Waffen. Aber umso mehr ist Besonnenheit gefordert bei Fragen, wie eine weitere Eskalation vermieden und der Krieg zumindest in einen Waffenstillstand überführt werden kann. Es ist für die Verantwortlichen in der Regierung und in erster Linie für unseren Bundeskanzler Scholz ein dramatischer Drahtseilakt, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Es gilt, nicht zur Kriegspartei zu werden. Aber wann dies der Fall ist, ist nicht eine Frage des Völkerrechts, sondern darüber entscheidet letztlich Putin, wann für ihn diese Schwelle überschritten wird. Ich bin daher sehr froh darüber, dass unser Bundeskanzler hier sehr genau überlegt und abwägt, sich mit den anderen NATO-Staaten ganz konkret abstimmt, was jeweils zu tun ist und welche militärische Unterstützung wir der Ukraine geben können. Er verdient dazu jede Unterstützung, und es ist erbärmlich, wie die Union diese für die Sicherheit Europas gefährliche Situation für ihre parteipolitischen Ziele instrumentalisiert. Sinnvolle Waffenlieferungen Es ist aber ebenso ärgerlich und äußerst problematisch, wenn sich Vertreter der Koalitionspartner jetzt öffentlich zu Militärexperten aufschwingen, Kriegsrhetorik von sich geben und von der Regierung die Lieferung schwerer Waffen fordern. Diese Waffen werden jetzt gebraucht, müssen also schnell verfügbar sein und auch von ukrainischen Soldaten bedient und eingesetzt werden können, einschließlich der Munition, der notwendigen Wartung und der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Dies alles trifft auf die gepanzerten Waffen der Bundeswehr, angesprochen wird hier oft der Schützenpanzer „Marder“, nicht zu. Die vorhandenen „Marder“ werden zu großen Teilen für die eigene Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr gebraucht. Bestände der Rüstungsindustrie müssen zum Teil über Monate instandgesetzt werden, ebenso braucht es Zeit für die Ausbildung der Soldaten. Auch gibt es dafür in der Ukraine weder Ersatzteile noch Kompetenzen für die Wartung. Es ist daher kompletter Unsinn und zeugt nur von Inkompetenz, wenn die Lieferung dieser Waffen Augsburg, 26.4.2022 gefordert wird. Olaf Scholz will deshalb im Ringtausch Schützenpanzer aus ehemaligen Beständen des Warschauer Pakts in Slowenien, mit denen die ukrainischen Soldaten eher vertraut sind, an die Ukraine liefern lassen und dafür Slowenien in den nächsten Monaten mit „Mardern“ ausstatten. Dies ist dann direkte und schnelle Hilfe für die Ukraine, anstatt Phantomdiskussionen über schwere Waffen zu führen. Sanktionen und Unterstützungsleistungen Olaf Scholz hat gemeinsam mit den anderen NATO-Staaten massive Sanktionen gegenüber Russland verhängt, die die Wirtschaft dort schwer treffen und auch bei uns zu Konsequenzen wie dem Anstieg der Inflation führen. Es ist kompletter Unsinn, wenn behauptet wird, Deutschland mache sich einen schlanken Fuß und schaue dem Leid der Ukraine von außen zu. Deutschland hat die Ukraine schon in der Vergangenheit finanziell massiv unterstützt, leistet Militärhilfe, wird der Ukraine mehr als eine Milliarde Euro für die Bewaffnung zur Verfügung stellen – und nimmt sich vor allem der vielen Geflüchteten an. Deutschland hat in den vielen Jahren einer CDU-geführten Regierung und mit aktiver Beteiligung der SPD den Fehler gemacht, darauf zu vertrauen, dass Putin rational am wirtschaftlichen Erfolg seines Landes und dem Wohlergehen seiner Bürger interessiert sein müsste. Dies war falsch und seine Kriege in Georgien, Tadschikistan, in der Ostukraine und Syrien hätten uns eines Besseren belehren müssen. Wir sind so in eine Abhängigkeit von russischen Energielieferungen geraten und tragen erheblich zur Finanzierung des Systems Putin bei. Es werden daher von der Regierung enorme Anstrengungen unternommen, sich von dieser Abhängigkeit zu befreien – dies wird allerdings Zeit brauchen. Wenn hier ein sofortiger Stopp der Abnahme russischer Energielieferungen gefordert wird, dann muss klar sein, was dies bedeutet. Es geht nicht um ein paar Grad weniger Raumtemperatur bei den Bürgern – dafür sorgt schon der massive Anstieg der Gaspreise. Es geht darum, dass zentrale Betriebe unserer Wirtschaft, wie die BASF mit Tausenden von Arbeitsplätzen, von einem Tag auf den anderen nicht mehr produzieren können und ihre Produkte auch für die anderen Industrien nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten: Wir schwächen uns selbst massiv und damit auch unsere Möglichkeiten, die Ukraine zu unterstützen. Wer glaubt, mit solchen Sanktionen den Krieg beenden zu können, hat immer noch nichts verstanden. Für Putin ist dies erst recht ein Grund, den Krieg umso brutaler fortzusetzen, denn er finanziert seine Soldaten nicht mit Euro sondern mit Rubeln! Sanktionen ergeben nur Sinn, wenn sie die andere Seite mehr schwächen als einen selbst. Liebe Genossinnen und Genossen, es ist sehr einfach, sich hinzustellen, schwere Waffen für die Ukraine gegen den Aggressor und Kriegsverbrecher Putin zu fordern – moralisch ist man dann immer bei den Guten! Die Folgen muss man nicht mehr bedenken: Führt dies nicht zu einer weiteren Eskalation des Krieges, zu noch mehr Toten und Zerstörung oder gar zu einem Weltkrieg? Was sind dies für irrwitzige Vorstellungen, wenn von einem Sieg der Ukraine gegenüber der Atommacht Russland fantasiert wird! Wir brauchen hier Besonnenheit und Reflektion, sich nicht von den eigenen Emotionen gegenüber den unmenschlichen Gewalttaten, dem Mord und der Zerstörung von Putins Armee leiten zu lassen, sondern genau zu überlegen, wie wir das Leid der Menschen in der Ukraine beenden und zumindest einen Waffenstillstand erreichen können. Bundeskanzler Olaf Scholz braucht dafür jede Unterstützung sowie unsere Rückendeckung, und keine Kriegsrhetorik von selbsternannten Militärexperten. Eure Ulrike Bahr, MdB